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Wann ist von grob fahrlässiger Unkenntnis eines Anlegers vom Bestehen seines Rückforderungsanspruchs gegenüber der finanzierenden Bank auszugehen?
Datum: 17.04.2007
Kurzbeschreibung: - zum Verjährungsbeginn in Anlagefällen mit Treuhandvollmacht -
Die Parteien streiten um die Rückerstattung von Geldzahlungen auf ein Darlehen, mit dem die beklagte Sparkasse den Beitritt der Kläger zu einem geschlossenen Immobilienfonds finanzierte.
Die Kläger erteilten im Jahre 1995 mit notarieller Urkunde einer Steuerberatungsgesellschaft einen umfassenden Treuhandauftrag mit Vollmacht. Die Treuhänderin, die nicht über eine Erlaubnis zur Rechtsberatung verfügte, unterzeichnete für die Kläger Ende 1995 einen Darlehensvertrag mit der Beklagten über einen tilgungsfreien Festkredit im Nennbetrag von 40.000 DM. Der Beklagten lag eine Ausfertigung der Vollmachtsurkunde bei Unterzeichnung des Vertrages nicht vor. Die Treuhänderin schloss sodann im Namen der Klägerin einen Beitrittsvertrag mit dem Immobilienfonds „Neue Bundesländer Nr. 4 GdBR“ über zwei Gesellschaftsanteile.
Die Kläger erbrachten auf den Darlehensvertrag bis Juni 1999 insgesamt ca. 6.000 Euro. Durch Sondertilgung in Höhe von 19.273,53 Euro lösten sie das Darlehen zum 13.07.1999 ab.
Mit ihrer am 22.02.2006 eingereichten Klage haben die Kläger Rückgewähr der gezahlten Beträge nebst Zinsentschädigung verlangt, weil der Geschäftsbesorgungsvertrag samt Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig ist.
Die Beklagte hat sich auf Verjährung berufen.
Das Landgericht Mannheim hat der Klage teilweise stattgegeben.
Die Berufung der beklagten Sparkasse zum Oberlandesgericht Karlsruhe - 17. Zivilsenat (Bankensenat) - hatte Erfolg. Der Senat hat die Klage insgesamt abgewiesen, da der Rückzahlungsanspruch wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden kann.
Die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs richtet sich nach den Übergangsregelungen zum neuen Schuldrecht nach neuem Recht und beträgt deshalb gemäß § 195 BGB drei Jahre. Diese kurze Verjährungsfrist wird jedoch frühestens vom 01.01.2002 an berechnet, da die ursprüngliche Verjährung nach altem Recht 30 Jahre betragen hätte. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt diese kurze Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Für die Frage der Verjährung ist deshalb hier entscheidend, ob die Kläger bereits vor dem 31.12.2002 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hatten. Vor der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Entscheidungen vom 28.09.2000 und 11.10.2001, in denen der BGH für bestimmte Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz Nichtigkeit feststellte, konnte kein Beteiligter einen Verstoß des Geschäftsbesorgungsvertrages und der Treuhandvollmacht gegen das Rechtsberatungsgesetz erkennen. Deshalb beginnt vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Oktober 2001 die Verjährung nicht, weil niemand davon ausgehen konnte, dass er Bereicherungsansprüche wegen der Nichtigkeit der Treuhandvollmacht haben könnte. Daher kann regelmäßig für einen Durchschnittsanleger bis zum Jahresende 2001 noch nicht von einer Kenntnis oder einer grob fahrlässigen Unkenntnis der für einen Rückabwicklungsanspruch maßgeblichen Umstände ausgegangen werden.
Auch wenn die Kläger nicht zu dem fachkundigen Personenkreis gehören, dem durch Veröffentlichung in juristischen Fachzeitschriften die Rechtsprechungsänderung alsbald bekannt geworden ist, kann aber von einer Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis und von einem Verjährungsbeginn jedenfalls zum Ende des Jahres 2002 ausgegangen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der zur Unwirksamkeit der Darlehensverträge führende Wechsel in der BGH-Rechtsprechung in weiten Kreisen der betroffenen Anleger in gleicher Situation wie die Kläger Beachtung gefunden und zu einer Vielzahl von vorprozessualen Rückzahlungsforderungen gegenüber den finanzierenden Banken geführt. Dem Senat ist aus dem eigenen Geschäftsbereich bekannt, dass bereits im Jahr 2002 Anleger in einer ersten Welle von Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Mannheim unter Hinweis auf den Wandel der Rechtsprechung Klage auf Rückabwicklung der Anlagegeschäfte erhoben hatten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Medien im Jahre 2002 die neue Rechtsprechung aufgegriffen haben und insbesondere auch in der Tagespresse darüber berichtet wurde. Damit bestand seinerzeit eine tatsächliche Grundlage für die Annahme der Kläger, dass sie ihre auf den Kreditvertrag geleisteten Zahlungen von der Beklagten zurückfordern können. Nachdem Möglichkeit zur Kenntnisnahme von einem Anspruch gegen die beklagte Sparkasse vor dem 31.12.2002 bestand, war der Anspruch am 31.12.2005 vor Klageerhebung verjährt.
Die Revision wurde zugelassen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 17.04.2007 - 17 U 1/07 -